PSYCHIATRISCHE ERKRANKUNGEN

Sie zählen für mich – ähnlich wie Krebs – zu den kompliziertesten, da sie nicht nur miasmatisch äußerst komplex sind, sondern zudem häufig mit zentral wirksamen Psychopharmaka behandelt werden oder wurden. Weiter kommen noch die vielen kleinen und evtl. auch großen emotionalen Verletzungen hinzu. Teils führen die mächtigen Arzneimittel auch zu Blockaden, die nicht einfach zu lösen sind. Auf keinen Fall dürfen solche Medikamente einfach abgesetzt werden und meist ist auch zu beachten, dass diese einen Wirkstoffspiegel aufbauen, der einen Reduktion nicht so einfach möglich macht. Das sollte in der Regel äußerst kontrolliert und - wenn das möglich ist - im klinischen Umfeld geschehen. Andererseits passiert genau das häufig ohne Wissen eines Arztes oder Therapeuten. 70% der Patienten in der Psychiatrie beenden die Einnahme wegen der starken Nebenwirkungen, ohne alternative Therapien in Anspruch zu nehmen. Wenn die Patienten dies wünschen, wäre hier eine enge Zusammenarbeit mit konventioneller Medizin wünschenswert. Würde man aus homöopathischer Sicht strukturiert vorgehen, fände ein Absetzen der Medikamente unter klinischer Aufsicht statt. In dieser Zeit würden die dann auftretenden Erscheinungen dokumentiert werden. Darauf müsste eine homöopathische Verordnung vorgenommen werden, deren Wirkung dann beobachtet und angepasst werden kann. Da dieses aber eher selten umsetzbar sein wird, ist es oft nur möglich, das homöopathische Arzneimittel zu geben und in Absprache mit dem behandelnden Psychiater die Psychopharmaka zu reduzieren, sobald sich eine dauerhafte Verbesserung des Zustandes zeigt. Auch bei einer längerfristigen Verbesserung ohne homöopathische Arzneimittel würde normal versucht, die Medikamente zu reduzieren oder durch leichtere zu ersetzen.


NUR DIAGNOSSCHLÜSSEL

Lange bevor in der konventionellen Medizin überhaupt eine Behandlung, die sich so auch nennen konnte, eingeführt wurde, hat bereits Hahnemann sich an die Behandlung von Geistes- und Gemütskrankheiten gewagt und damals zu einem Umdenken aufgefordert. Er gab auch Hinweise, wie mit diesen Kranken umzugehen sei. In diesen Anweisungen findet sich eine große Hinwendung und Fürsorge für die Kranken, ein novum für die damalige Zeit. Wie jede Therapie, ist leider auch die homöopathische Behandlung nicht immer erfolgreich. Nach dem wechselhaften Beginn bei der Behandlung der Geistes- und Gemütskrankheiten konnten die folgenden Generationen von Homöopathen die Therapie weiter verfeinern. Die Differenzierung der Psychiatrie in Diagnoseschlüsseln beschreibt zwar im Oberbegriff die Erscheinungen, spezifiziert aber nicht das individuelle Bild. Oftmals ist die Trennung auch nicht klar möglich. Der Ansatz eine Veränderung des Stoffwechsels, der Hormone und Botenstoffe des Gehirns, zu erfassen und zu behandeln ist sicherlich nicht falsch. Den organischen Bezug zu sehen und zu behandeln, ist auch für die Homöopathie durchaus wichtig und kann durch organotrope Arzneien geschehen. Häufig wird man auch kein einmaliges, auslösendes Ereignis finden. Entscheidend ist neben anderen Faktoren sicher auch die individuelle Disposition, ähnlich wie ein anderer Mensch z.B. eine schwache Niere, Magen oder Leber hat. Oft ist einen schleichenden Beginn feststellen, der natürlich durch ungünstige äußere Umstände und Erlebnisse, Mikro-Traumatisierungen, falsche gesellschaftliche, familiäre und überzogen religiöse Prägungen begünstigt werden kann.


EINE EINSEITIGE KRANKHEIT

Das Fehlen körperlicher und überwiegen der psychiatrischen Symptome ist eine große Schwierigkeit bei der Anamnese. Hahnemann prägte für solch symptom-arme Erkrankungen den Begriff der „einseitigen Krankheit“ und wies schon im Grundlagenwerk Organon auf die schwierige Behandlung dieser einseitigen Erkrankungen hin. Erste Symptome, wie z.B. Panik- und Angststörungen lassen sich bei exakter Anamnese oftmals bereits in der Kindheit nachvollziehen. Symptome des Heute sind meist eine Weiterentwicklung aus dem Gestrigen. Deshalb kommt dem Erfassen der Familiengeschichte und frühkindlichen Entwicklung in der Anamnese eine große Bedeutung zu. Die Krankheiten von damals wurden vermutlich nicht geheilt, sondern haben sich nur weiterentwickelt bzw. in das Zentrum verlagert. Um die Möglichkeit einer solchen Unterdrückung einzubeziehen, sind natürlich die Symptome in der Zeit vor dem Auftreten einer psychiatrischen Erkrankung sehr wichtig. Das kann bis in die Kindheit zurück reichen - Symptome, welche nach einer miasmatisch nicht treffenden Behandlung verschwanden, worauf aber andere, tiefere Erscheinungen auftraten. Um diese „Frühsymptome“ zu erfassen, ist das Einbeziehen und die Befragung der Familie ein sehr wichtiger Teil der Anamnese. Werden die Symptome so erfasst, wird aus der scheinbar eindimensionalen Erkrankung wieder eine Mehrdimensionalität, die es erleichtert, eine passende Arznei zu finden. Verläuft die Heilung wie von mir angestrebt, ist es erforderlich, dass früher unterdrückte Symptome wieder auftreten und miasmatisch korrekt geheilt werden.


WERTUNG DER SYMPTOME

Für die miasmatische Betrachtung müssen die akuten Symptomen mit Vorsicht betrachtet werden, da sich diese in kurzer Zeit ändern können und damit eine ständig Anpassung der Verordnung vorgenommen werden müsste. Hier ist es erfolgversprechender, die miasmatische Belastung zu erfassen, wobei das Arzneimittel natürlich auch die vorliegende Symptomatik nach dem Ähnlichkeitsgesetz abdecken muss. Genauso wenig, wie in allen Behandlungen, verordne ich im psychiatrischen Bereich nach „Typ“. Dieser Arzneimittel-Typ kann auch einmal zur Arzneimittelbeschreibung passen, aber zu oft schon erlebte ich, dass eine Arznei heilte, die so gar nicht dem Typ entsprach. Das Ähnlichkeitsgesetz bezieht sich vorrangig auf die Krankheit und ihre Symptome. Der „Typ“ dagegen ist KEIN Symptom. Zudem zeigt sich im Verlauf einer Behandlung, dass Arzneien im Behandlungsverlauf auch geändert werden müssen ohne dass sich der Typ Mensch geändert hätte.


TRAUMATISIERUNG

In diesem Bereich ist es nach der Erfahrung aus Behandlungen gut möglich, hilfreich zu unterstützen. Dies zeigte sich auch bei der Mitarbeit vieler Homöopathen in Krisengebieten. Da sich hier klare Auslöser finden, werden diese Geschehen in die Arzneimittelwahl einbezogen. Damit ist sicher nicht alles auszulöschen, aber die häufig zeitgleich laufende psychotherapeutische Begleitung kann damit deutlich effektiver sein. Psychotherapie u.a. werden von mir wie in vielen anderen Fällen auch empfohlen.



Ich bin mir bewusst, dass auch der homöopathische Weg nicht gerade einfach für die Betroffenen ist, weder für Patienten, noch die Familie. Von Heilung kann man in der Schulmedizin bei der oft dauerhaften Medikation mit allen Folgewirkungen leider oft nicht sprechen, erfreulich ist schon die Linderung, die ein Leben im Umfeld wieder erlaubt. Leider führen die Nebenwirkungen wie o.g. viele Betroffene dazu, die Medikamente selbsttätig absetzen. Man wird also davon ausgehen müssen, dass nur ein Teil eine wirklich dauerhafte Verbesserung verspürt. Will man Heilung erreichen, so ist man gezwungen, einen anderen Weg zu gehen. Dass dieser eben auch parallel beschritten werden kann, möchte ich hier ausdrücklich betonen. Viele Homöopathen lehnen eine Behandlung als unlösbar ab. Meine persönlichen Erfahrungen zeigen, dass die parallele Behandlung möglich ist und die homöopathischen Arzneien trotzdem wirken, wenn auch nicht völlig ungestört. Eine ergänzende Therapie halte ich in aller Regel für notwendig. Wünschenswert wäre die Möglichkeit, die PatientenInnen im geschützten klinischen Bereich zu behandeln und den Einsatz von Psychopharmaka von Anfang an zu vermeiden. Auf keinen Fall wird es aber "das eine spezielle hom. Arzneimittel" geben, dass alle Erscheinungen im Nu verschwinden lässt. Zu komplex ist das Entstehen und die Erfahrungen während einer solchen Krankheit, als das dies möglich wäre.


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